Westeuropäische Union

Westeuropäische Union
Wẹst|europạ̈ische Union,
 
englisch Western European Union ['westən jʊərə'piːən juːniən], Abkürzung WEU, französisch Union de l' Europe Occidentale [y'njɔ̃ dəlœ'rɔp ɔksidã'tal], Abkürzung UEO, internationale Verteidigungsorganisation (Sitz: Brüssel); Amtssprachen: Englisch und Französisch. Grundlage der WEU bildet der durch die Pariser Verträge (1954) geänderte Brüsseler Pakt (1948), der am 6. 5. 1955 in Kraft trat. Vollmitglieder der WEU sind Großbritannien, Frankreich, die Beneluxstaaten, seit 1954 Bundesrepublik Deutschland und Italien, seit 1988 Spanien und Portugal sowie seit 1992 Griechenland. Assoziierte Mitglieder sind seit 1992 (formell seit 1995) Island, Norwegen und die Türkei; diese Staaten können in allen Gremien und an allen Maßnahmen der WEU teilnehmen, dürfen jedoch nicht die Konsensentscheidungen der Vollmitglieder blockieren. Beobachter, die bei Sitzungen der WEU-Gremien Rederecht haben, sind seit 1992 Irland und Dänemark sowie seit 1995 Finnland, Österreich und Schweden. Assoziierte Partner, die an Sitzungen des WEU-Rates und einiger Gremien von Fall zu Fall teilnehmen, sind seit 1994 (formell seit 1995) die im ehemaligen, 1992 gegründeten Konsultationsforum zusammengeschlossenen Staaten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakische Republik, Tschechische Republik und Ungarn sowie seit 1996 Slowenien.
 
Aufgaben und Ziele:
 
Alle Vollmitglieder sind im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied zu bedingungslosem Beistand verpflichtet. Diese Beistandsverpflichtung unterscheidet die WEU von der NATO. Daneben versteht sich die WEU als europäischer Pfeiler der NATO und als verteidigungspolitische Komponente der Europäischen Union (EU) im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Nach einem Beschluss von 1999 soll die WEU schrittweise in die EU integriert werden und ihre Kompetenzen an die EU übergeben. Eine Auflösung der WEU ist jedoch erst dann vorgesehen, wenn die geplante EU-Eingreiftruppe (Stärke bis 60 000 Soldaten) einsatzbereit ist (etwa 2003). - Seit der Petersberger Erklärung von 1992 konzentrieren sich die Aufgaben der WEU v. a. auf humanitäre Hilfe, Rettungseinsätze, friedenserhaltende Maßnahmen sowie auf Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung einschließlich der Herbeiführung des Friedens. Bei der Umsetzung militärischer Vorhaben kann sich die WEU auch auf NATO-Strukturen (u. a. auf die Combined Joint Task Forces) sowie auf nationale beziehungsweise multinationale Streitkräfteverbände (Forces Answerable to WEU; Abkürzung FAWEU), so u. a. auf den Eingreifverband Eurofor und das Eurokorps, stützen. - Der erste Einsatz der WEU erfolgte 1987-89 anlässlich des 1. Golfkrieges, indem die Mitgliedstaaten u. a. Marinestreitkräfte in das Krisengebiet entsandten und sich an der Minenräumung beteiligten.
 
Organe:
 
Oberstes Entscheidungsgremium ist der Rat, der sich zum einen aus den in der Regel zweimal jährlich tagenden Außen- und Verteidigungsministern (Ministerrat) und zum anderen auf Botschafterebene zur Überwachung der laufenden WEU-Aktivitäten aus dem Ständigen Rat zusammensetzt. Daneben existieren verschiedene Arbeitsgruppen. Hilfsorgane des Rates sind: 1) das 1990 gegründete WEU-Institut für Sicherheitsstudien (Sitz: Paris); 2) das 1993 eröffnete WEU-Satellitenzentrum (Sitz: Torrejón bei Madrid), das Satellitenbilder zur Beobachtung von Krisen, zur Überwachung von Abrüstungsvereinbarungen sowie zur Umweltbeobachtung auswertet; 3) die 1997 eingerichtete Westeuropäische Rüstungsorganisation (WEAO) als Vorstufe einer geplanten europäischen Rüstungsagentur. Das Generalsekretariat unterstützt administrativ die Arbeit des Rates und stellt die Verbindung zwischen den einzelnen WEU-Organen sicher; es wird geleitet von einem Generalsekretär (seit 24. 11. 1999 J. Solana Madariaga), der die WEU nach außen vertritt und die Ratssitzungen leitet. Die zweimal jährlich beziehungsweise ganzjährig in Ausschüssen tagende Parlamentarische Versammlung (Sitz: Paris), die sich aus Vertretern der nationalen Parlamente zusammensetzt, erörtert hauptsächlich sicherheits- und verteidigungspolitische Fragen und kann an den Rat Empfehlungen richten. Der Rat ist jedoch nicht an die Empfehlungen gebunden. Die Westeuropäische Rüstungsgruppe (WEAG) ist innerhalb der WEU für Rüstungsfragen zuständig. 1992 aus der der NATO unterstellten europäischen Programmgruppe hervorgegangen, gehören ihr die zehn Vollmitglieder, die NATO-Partner Dänemark, Norwegen und Türkei sowie seit 1997 als Beobachter Finnland, Österreich und Schweden an.
 
1997 wurde die Einrichtung eines dem Rat unterstehenden Militärausschusses beschlossen, der als höchstes militärisches Gremium aus den Generalstabschefs der Vollmitglieder (für Deutschland der Generalinspekteur der Bundeswehr) besteht und die Politiker militärisch berät sowie für die militärische Umsetzung politischer Beschlüsse verantwortlich ist. Ferner beaufsichtigt er die 1992 eingerichtete Planungszelle, in der die militärischen Vertreter der 13 Mitgliedsstaaten u. a. Eventualpläne für den Einsatz von Streitkräften unter WEU-Führung ausarbeiten.
 
 
P. Schell: Bündnis im Schatten. Die W. U. in den 80er Jahren (1991);
 M. Fleuß: Die operationelle Rolle der W. U. in den neunziger Jahren (1996);
 
Sicherheit in Europa. Die W. U., hg. v. R. Antretter (1997).

Universal-Lexikon. 2012.

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